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  • AutorenbildDaniel Niessen

Südtirol - 7Tage7Gipfel Teil 2 - "Königskogel"

05.10.2019

2. Königskogel (3.055 m)

 




„Ja bist du denn verrückt?!“


Stellt euch diese Nachfrage bitte von einem älteren, sehr sehr freundlichen und liebenswürdigen, aber dennoch unverblümt ehrlichen Herren vor. Natürlich im entsprechenden Dialekt, welchen ich aus Respekt garnicht erst versuche wiederzugeben. Die Frage nach meinem geistigen Wohlbefinden stellte sich übrigens, nachdem ich ihm beim Frühstück von meinem Vorhaben erzählte: „Die Kolbenspitze ist so super gelaufen. Ich bin sicher, dass ich den Königskogel heut‘ auch schaff‘.“





Blick vom Tisch im Speiseraum
Ausblick beim Frühstück


Ordentlich gestärkt – und hier mal nebenbei: das Frühstück (Essen allgemein) im Hotel Kronhof war richtig, also wirklich richtig, gut – ging es dann los zum Parkplatz der Oberglanegg Alm (2023 m), dem Ausgangspunkt der heutigen Tour. Die Motivation für den Aufstieg war groß. Die Beschwerden vom Vortag, zu meiner Verwunderung, sehr klein. Da machte sich mein, zu dieser Zeit, hoher Fitnesslevel doch positiv bemerkbar.


Da war ich noch guter Dinge
Da war ich noch guter Dinge

Vom Parkplatz aus führte mich eine Zufahrtsstraße in nicht einmal 10 Minuten zur Oberglanegg Alm. Von dieser ausgehend folgte ich dann dem mit der Nr. 20 markierten Steig in Richtung Norden. Hier lag schon überall Schnee, es nieselte leicht, es war kalt, windig, grau. Da wo kein Schnee lag, war es matschig, nass, rutschig – ich hoffe ihr könnt es euch vorstellen. Bald darauf überquerte ich die langen und vor allem steilen Hänge, die bis zum Gratrücken, welcher von der Äußeren Schwenzerspitze herüber kam, führten. Ab hier war definitiv Schwindelfreiheit und Trittsicherheit auf dem schmalen Pfad gefragt, und ich meine wirklich sehr schmal, wenn ich „schmal“ schreibe. Außerdem waren die Wege sehr abschüssig. Ein Fehltritt an dieser Stelle hätte wohl zur Folge gehabt, dass ich mich wenige hundert Meter tiefer wiedergefunden hätte. Oder die Bergrettung hätte mich gefunden. Wenigstens hatte es aufgehört zu regnen. Der Schnee auf den Hängen und auf dem Pfad machte es aber nicht wesentlich besser.



Nachdem ich zwei etwas schwierigere, seilversicherte Stellen überwunden hatte, erreichte ich den Grat. Der felsige, mal mehr mal weniger mit Schnee bedeckte Rücken sollte mich in Richtung Königsjoch führen. Allerdings hatte der Wind wieder kräftig angezogen und obwohl ich auf einem gut ausgetretenen Steig wanderte (links und rechts ging es trotzdem ziemlich tief herunter), fühlte ich mich sehr unsicher. Immer wieder packte mich seitlich der Wind und erschwerte mir das Vorwärtskommen, sodass ich mich zwei, drei Mal hinhocken musste, wenn mich die Böen ins Schwanken brachten. Da wurde mir erstmalig so richtig bewusst, dass ich gerade alleine war. Niemand, der mir gut zureden konnte. Niemand, der erfahrener war als ich und in dieser Situation genau wusste was zu tun ist. Also nutzte ich den wieder etwas abflachenden Wind und kehrte um, bis ich windgeschützt pausieren konnte.


Zwei Hände voll von der Nussmischung später, entschied ich mich noch einen weiteren Versuch zu starten. Allerdings ließ ich meinen Rucksack zurück, um dem Wind weniger Angriffsfläche zu bieten. Dass mir den jemand entwenden könnte, hatte ich garnicht erst in Betracht gezogen. Erstens war mir augenscheinlich niemand gefolgt, zweitens rechnete ich nicht damit, meinen Rucksack dort oben geklaut zu bekommen und drittens – und das war eigentlich meine größte Versicherung – hatte ich eine Notiz hinterlassen: „Bin gleich wieder zurück“.


Der Zeitpunkt, kurz bevor ich den Rückweg antreten konnte
wenn plötzlich alles weiß ist

Mit neuem Mut und vor allem weniger Fläche für den Wind ging es zurück auf den Grat. Ich hatte es schon weiter geschafft als beim ersten Versuch, da musste ich mich allerdings erneut hinknien. Glaubt mir – das sind wirklich ärgerliche Momente. Trotzdem entschied ich mich, den Weg fortzusetzen und erreichte bald das Königsjoch. Von dort aus immer am Grenzkamm bleibend, führten mich lediglich Steigspuren weglos in Richtung Westen und über den teilweise felsigen und ausgesetzten Ostgrat in Richtung Gipfel. Hier und da stapfte ich durch kniehohe Schneeverwehungen und befand mich kurze Zeit später direkt unterhalb des Gipfels, nur „wenige“ Höhenmeter vom Ziel entfernt. Mein Smartphone, mit entsprechender App, diente mir als GPS und zeigte eine Höhe von knapp unter 2.900 m an. Das war allerdings auch der Zeitpunkt, an dem ich mich für einen Abbruch entschied.



(Achtung laut - zuerst hätte man eigentlich den Gipfel sehen sollen, danach den Rückweg)


Es gab erneut einen Schnee-Auftakt. Gepaart mit den anhaltend starken Windböen, war die Tour für mich nicht mehr zu Ende zu bringen. Innerhalb von Sekunden sank die Sicht gegen Null und das Weiß umhüllte mich. Der Gipfel war verschwunden, der Rückweg ebenso nicht mehr zu sehen. Umgehend suchte ich nach einer Möglichkeit, mich zumindest ein wenig geschützt aufzuhalten. Meine Wahl fiel auf eine kleine Felsformation, hinter der ich mich kniend verstecken konnte. In solchen Augenblicken gehen einem alle Sünden durch den Kopf. Es fühlte sich an, als hätte ich Stunden im Schnee kauernd verbracht. Dabei waren es nur wenige Minuten, bis der Wind glücklicherweise wieder ein wenig nachließ. Meinen Eltern hatte ich versprochen, nichts Dummes anzustellen und keine Risiken einzugehen, die nicht abschätzbar wären. Also nutzte ich den Moment des ruhiger werdenden Wetters und machte mich auf den Rückweg. Der schmale Grat, auf dem ich mich beim Hinweg immer wieder schützend hinhocken musste, war kein Problem mehr. Auch die steilen Hänge, die mich, nachdem ich meinen Rucksack wieder aufgenommen hatte, erwarteten und von denen ich definitiv nicht abstürzen wollte, überwand ich beinahe im Rekordtempo. Erst als das Terrain übersichtlicher und das Wetter wieder angenehmer wurde, konnte ich durchatmen. Ich passierte die Oberglanegg Alm und war mehr als froh, abschließend wieder ins Auto steigen zu können.


Ein Fazit: „Dumm ist der, der Dummes tut.“ – F. Gump  
Die Besteigung des Königskogels wäre sicherlich eine schöne gewesen, aber sie sollte nicht um jeden Preis geschehen. Trotzdem war es ein Erlebnis, welches ich nicht vergessen werde. Es zeigt, wie klein wir sind und wie viel größer die Natur ist.  
 

Tipp: Dieses Mal kann ich euch nur einen generellen Tipp geben. Hört auf euer Bauchgefühl und vor allem euren Verstand. Kein Gipfel der Welt, ist mehr wert als euer Leben.

 

Wieder im Hotel angekommen verspürte ich trotzdem ein Gefühl von Enttäuschung. Ich verliere einfach nicht gerne und will Ziele, die ich mir setze, auch erreichen. Der Abend verlief also Trübsal blasend, bis mir die Eingebung kam. Nicht immer höher, immer größer, sondern einfach viele. Am besten jeden Tag einen. Urlaubstage hatte ich noch ausreichend. Also entschied ich mich für "7Tage7Gipfel" und fand damit eine neue Herausforderung und neuen Ehrgeiz. Der dritte Tag konnte also getrost kommen.


„Die hohe Kreuzspitze sieht doch ganz schön aus.“


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